Gingster Ortsgeschichte: Die Weißnäherin
Der Beruf der Weißnäherin wurde ausschließlich durch Frauen ausgeübt, die Arbeit war gediegen und kunstvoll. Sie galt aber nicht als „ehrbares“ Handwerk, weil die Weißnäherin nicht über die „Ehre“ einer Zunftmitgliedschaft verfügte. Die Zunftordnungen verboten es Frauen, ein Handwerk zu erlernen. Lediglich das kleine Werk, also minderqualifizierte Arbeit, war erlaubt.
Weißnäherinnen stellten in erster Linie Laken, Tischdecken, Handtücher u.ä. her, häufig aufwändig verziert mit Spitzen und Stickereien. Die Weißwäsche gehörte zur üblichen Aussteuer unverheirateter Frauen, die sie als Mitgift in den Bund der Ehe einbrachte. Sehr wichtig war auch der Spitzenbesatz an Schlitz- und Klappunterhosen, der unter dem Kleid hervorblitzen musste, ebenso wie die weißen Spitzen an den Unterröcken der Frau. Die „freien Spitzen“ galten nämlich dem heiratswilligen Mann als Hinweis auf Fleiß und Geschick der Frau, so dass ein Zuverdienst zum gemeinsamen Lebensunterhalt erwartet werden konnte.
Im 18. Und 19. Jh. weit verbreitet waren mit Spitzen besetzte Tändelschürzen, die zum Kirchgang getragen wurden. Auch Nachtjacken, Mützen und Hauben wurden mit Spitzen verziert. Für die feinen Damen der Gesellschaft häkelte die Weißnäherin zudem feine weiße Fingerhandschuhe und weiße Strumpfbänder. Manchmal fand sie sogar eine feste Anstellung bei der Gutsherrschaft.
Aufbewahrt wurden die Wäschestücke in Truhen, darin übersichtlich sortiert in Stoffbeuteln, die die Weißnäherin bunt verzierte oder mit dem Verwendungszweck bestickte. Auch andere Beutel wie Haarbeutel (zum Haare sammeln), Brot- und Brötchenbeutel etc. wurden von ihr angefertigt.
Das Kremkehaus der Historischen Handwerkerstuben war ab 1700 bis zum Jahre 1940 immer auch von einer Weißnäherin bewohnt. Die letzte war Minna Pilinski.
(Quelle: Text von H.K. Stoll: Über die Weißnäherin, Museumsarchiv)