Gingster Ortsgeschichte: Der Sattler
Mal so richtig vom Leder ziehen! Auch diese Redewendung entspringt einem historischen Handwerksberuf: dem Sattler. Der Hauptwerkstoff der Sattlerei war das Leder, daraus wurden Sättel, Zaumzeug, Kummet (dick gepolsteter Ring am Zuggeschirr der Pferde) oder andere Teile des Fahrgeschirrs gefertigt. Ein weiterer wichtiger Werkstoff waren Stoffe, aus denen zum Beispiel Planen für Kutschen hergestellt wurden.
Bis heute werden Ausstattungen für Autos und Boote, aber auch Taschen und Möbelverkleidungen in Sattlereien gefertigt. Namhafte deutsche Autositz- oder Verdeckhersteller sind aus Sattlereien hervorgegangen.
Die erste Sattlerei entstand in Gingst um 1420, ihr Wirkungskreis reichte bis Bergen. Der intensive Warentransport über die durch Gingst verlaufende Heringstraße erforderte neben der Fertigung auch häufige Reparaturen an Sätteln, Planen und Zaumzeug. Bis zum Abschluss der Arbeiten vergingen oft Tage, so dass Gingst auch eine Herberge für Händler und Pferde benötigte.
Die letzte Sattlerei in Gingst wurde in den 20ern des letzten Jahrhunderts vom Sattlermeister Ludwig Schulz gegründet. Sattlermeister Martin Saathoff übernahm sie 1956 von seinem Lehrmeister und ergänzte den Betrieb um die Polsterei. Die Sattlerei Polsterei Saathoff schloss 2016, der Schriftzug am Markt 19 erinnert an das fast 100-jährige Bestehen dieser Traditionswerkstatt und an das 600-jährige Bestehen des Sattlerhandwerks in Gingst. Die originale Sattlernähmaschine aus der Saathoff´schen Werkstatt befindet sich heute im Museum Historische Handwerkerstuben Gingst.
Spruch der Sattlerzunft: Die Sattlerzunft wird fröhlich blühen, solang sie kann vom Leder ziehen. Und ohne Strafe zu erleiden, aus fremder Haut darf Riemen schneiden