Gingst – Metropole der Kunst, Pyromanie und Höhenflüge

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Man könnte meinen, Gingst sei das neue Berlin: Kreative entwerfen bizarre Fratzen in Rot, Raucher testen die Brennbarkeit von Wärmedämmung, und auf den Dächern öffentlicher Toiletten herrscht reger Hochbetrieb. Willkommen im charmanten Mikrokosmos zwischen Größenwahn, Ignoranz und einem Hauch von Wahnsinn.

Beginnen wir unsere Tour an der Wartehalle der Bushaltestelle in der Karl-Marx-Straße. Dort hat sich jemand künstlerisch betätigt – mit einem roten Marker und einem deutlich überhöhten Selbstbild. Die Signatur „MAK“ prangt stolz neben einer grotesken Fratze, die vermutlich ein Selbstporträt sein soll. Oder ist das doch ein Porträt vom Busfahrer nach der fünften Runde durchs Dorf? Man weiß es nicht. Der Anblick jedenfalls weckt Emotionen – meist in Richtung „Warum?“ und „Wer hat dir das erlaubt?“.

Ein paar Straßen weiter, in der Hermann-Matern-Straße, wird es nicht weniger lebendig. Jugendliche treffen sich zwischen den Blöcken zum gemütlichen Gruppenkippen. Leider scheint dabei niemand den Unterschied zwischen Aschenbecher und Wärmedämmung erklären zu wollen. Die Schäden an der Fassade sind zwar ärgerlich, aber immerhin lehrt man sich dort gegenseitig wichtige Lektionen über Materialkunde und Brandverhalten. Ein Lehrer soll sogar gemurmelt haben: „Rauchen, Staunen, gute Launen“ – pädagogisch fragwürdig, aber zumindest ehrlich.

Apropos fragwürdig: Die bevorstehende Landratswahl bringt nicht nur Spannung, sondern auch eine neue Disziplin ans Tageslicht – das politische Portrait-Remix. Aus Wahlplakaten werden finstere Satansfratzen, mit Hornansatz und Höllenfeuerblick. Wer braucht noch Karikaturisten, wenn der örtliche Sprayer schon den Teufel an die Wand (und aufs Plakat) malt? Eine Art Meinungsäußerung, nur halt mit Sprühdose statt Wahlzettel.

Und schließlich ein Blick auf die Baustelle des Schulneubaus – dort, wo normalerweise nur Bauarbeiter ihre Heldenreise antreten, erklimmen nun auch kletterbegeisterte Hobbyakrobaten die Höhen öffentlicher Sanitäranlagen. Ziel: Beweisführung für Mut, Muskelkraft und maximalen Unsinn. Positiv: Es wurde nichts beschädigt. Negativ: Die Aussicht vom Dach ist übrigens nur mäßig.

Bleibt zu hoffen, dass der Frühling nicht noch mehr kreative Energien freisetzt. Vielleicht wäre ein Wandmalwettbewerb mit Thema „Respekt & Rücksicht“ mal eine Idee. Oder ein Hochseilgarten, aber mit Eintritt nur nach Bestehen eines Vernunfttests.

In diesem Sinne: Gingst bleibt spannend. Leider nicht immer im positiven Sinne – aber wenigstens wird’s nie langweilig.